Archive for the ‘ Wahlen ’ Category

Vom Wutbürger zum Mutbürger

Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck hat gestern angekündigt, die direkte Demokratie zu reformieren. Etwa soll die Unterschriftenhürde für Volksbegehren von 300.000 auf 150.000 abgesenkt werden (= 5 Prozent d. Stimmberechtigten). Finde ich erstmal grundsätzlich eine tolle Sache. Grundsätzlich müsste meiner Meinung nach allerdings eine Diskussion in Gang kommen, ob wir mehr direkte Demokratie oder mehr Bürgerbeteiligung wollen, was womöglich in diesen Tagen schnell mal gleichgesetzt wird.

Ich glaube, dass eine stärkere Bürgerbeteiligung tiefgehender wäre als nur ein Kreuzchen für oder gegen etwas zu machen. Damit ließen sich womöglich auch eher Kompromisse finden und Konflikte befrieden. Allerdings verlangt das auch viel den Bürgern selbst ab. Darüber habe ich kürzlich einen Text in der taz geschrieben und zwei Protagonisten beim „Beteiligen“ begleitet: Vom Wutbürger zu Mutbürger

Ländle wechsel dich?

Noch drei Tage bis zur Wahl. Die ganze Republik schaut auf den Südwesten: Wagen die Schwaben den Wechsel? Trauen sie nach 58 Jahren CDU-Herrschaft Rot-Grün ihr Ländle an?

Nach einer neuen Umfrage scheint das tatsächlich der Fall zu sein. Wie das Forsa-Institut im Auftrag von stern.de errechnet hat, käme die CDU derzeit gerade mal noch auf 38 Prozent, die FDP gar nur auf 5.

Wenn die Linke (derzeit 4 Prozent) draußen bleibt, könnte es demnach für SPD (24) und Grüne (ebenfalls 24) reichen. Als wenn es nicht schon spannend genug wäre, liegen jetzt SPD und Grüne auch noch exakt gleich auf. Wer also würde bei einer Machtübernahme den Ministerpräsidenten stellen? Zwar sagen beide Parteien stets, sie würden so oder so auf Augenhöhe zusammenarbeiten. Doch sollte die eine Seite womöglich um 0,2 Prozent den entscheidenden Posten verpassen, wäre das eine bittere Pille, die man erstmal schlucken müsste.

So oder so sollten alle rot-grünen Anhänger noch auf dem Teppich bleiben. Denn zum einen sind der Umfrage zufolge noch immer 40 Prozent unentschlossen. Zum anderen könnte im letzten Moment das Wahlsystem die CDU retten.

Denn erwartungsgemäß wird die CDU die meisten Direktmandate gewinnen. Zwar bekommen die anderen Parteien dafür Ausgleichsmandate, damit die prozentuale Verteilung der Sitze bestehen bleibt. Die Anzahl der Ausgleichsmandate wird jedoch pauschal abgerundet. Ein Beispiel: Hätte die SPD im Bezirk Freiburg Anspruch auf 15,6 Sitze, bekommt sie nur 15.

Durch das Abrunden bleibt am Ende ein Sitz über. Dieser fällt automatisch an die Partei zu, die das Direktmandat geholt hat – oft also der CDU. Dieser Effekt könnte – aufsummiert im ganzen Land – tatsächlich dann entscheidend sein, wenn Rot-Grün knapp vor Schwarz-Gelb liegt.

Angeschlagener Mappus punktet selbstsicher im TV-Duell

Siegessicher zeigte sich in den vergangenen Tagen schon so manch ein Grüner oder Roter in Baden-Württemberg. Jetzt – mit der alles überragenden Atomdebatte – kriegen wir den Mappus. Jetzt schicken wir die CDU auf die Oppositionsbank.

Und in der Tat stand der Ministerpräsident in den vergangenen Tagen enorm unter Druck. Er war es, der in der Diskussion um die Laufzeitverlängerung nach vorn preschte und gar Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) den Rücktritt nahe legte, weil dieser nur eine moderate Laufzeitverlängerung wollte.

Zudem hat ausgerechnet Baden-Württemberg einen Atomstrom-Anteil von über 50 Prozent.

Doch wer gestern das TV-Duell verfolgte, sah alles andere als einen unsicheren, nervösen Mappus. Er wirkte präsent, einigermaßen entspannt, selbstsicher.

Ich selbst habe das Duell an der Uni Hohenheim verfolgt. Dort konnten 120 Zuschauer per Drehschalter eine live-Bewertung vornehmen. Und ich war erstaunt, wie häufig die Kurve eine Zustimmung für den angeschlagenen Ministerpräsidenten verriet.

Gelingt Mappus etwa, was ihm bei Stuttgart 21 schon gelang? Erst große Empörung und dann ist doch wieder alles gut?

Auch wie er aus der Defensive heraus Rot-Grün attackierte, war bemerkenswert. Ähnliches hatte er schon einmal im Untersuchungsausschuss zum Polizeieinsatz für das Bahnprojekt geschafft.

Sein Herausforderer Nils Schmid (SPD) hingegen war zwar bei der Atomdebatte im Duell insgesamt stärker, doch selten erzielte er so große Zustimmungswerte wie Mappus.

Eines hat der Abend damit deutlich gemacht: Trotz Atomdebatte bleibt es in Baden-Württemberg ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Längst noch nicht ist eines der beiden Lager im Ziel angekommen.

Die schnellsten Schnecken

Eigentlich fühlt man sich sprachlos… Gleichzeitig gibt es so viel Rede- und Klärungsbedarf zur Lage im japanischen Atomkraftwerk Fukushima 1. Mit einem stellen Menschen Fragen wie „Kernschmelze – was bedeutet das eigentlich genau?“ Allein schon diese Frage sollte verdeutlichen, wie leichtgläubig unsere Gesellschaft doch mit der ach so sicheren Atomkraft umgeht.

Auch wenn jetzt natürlich erstmal Japan im Mittelpunkt stehen sollte und wir nur hoffen können, dass der GAU ausbleibt, so wird in der Diskussion auch bald der Blick auf die Atomkraftwerke hierzulande gerichtet. Ich bin sehr gespannt, wie sich nun die schwarz-gelben Laufzeitverlängerer verhalten und  wie sie argumentieren. Kommt etwa auch dann noch das lasche Argument, die deutschen AKWs seien schließlich die sichersten?? Als Antwort darauf habe ich mal einen netten Spruch bei einer Demo gegen fossile Kraftwerke gelesen – sinngemäß lautete er: „Es gibt auch schnellere Schnecken als andere.“

Die Umweltschutzorganisation BUND hat Freitag gleich schon auf das AKW Neckarwestheim hingewiesen. Unter ihm befänden sich Hohlräume. Diese entstünden, wenn eine Gipsschicht vom Grundwasser ausgelaugt wird. Die Hohlräume würden sogar durch das AKW selbst noch vergrößert, da bei der Grundwasserförderung loses Gestein herausgespült würde. Bei einem Erdbeben könnten sich wegen der Hohlräume Erschütterungen um bis zum 30fachen verstärken…

Entzündet sich jetzt in Deutschland eine neue AKW-Debatte, bin ich auch gespannt, wie sich das auf die Landtagswahl in Baden-Württemberg auswirken wird. Der amtierende Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) war immerhin einer der Vorreiter in der Diskussion um die Laufzeitverlängerung. Ihm lag eine möglichst lange Verlängerung derart am Herzen, dass er sogar seinen Parteikollegen und immerhin Bundesumweltminister Norbert Röttgen scharf kritisierte und ihm den Rücktritt nahe legte.

Tja, manche Schnecken sind eben schneller, manche langsamer.. und manche Politiker brauchen eben länger, um die wahren Risiken der Atomkraft zu verstehen – nur dumm, wenn diese Politiker letztlich über die Laufzeit entscheiden…