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Die Erblast eines Verfassungsbruchs

Unglaublich – beim EnBW-Deal hat der ehemalige baden-württembergische Ministerpräsidenten Stefan Mappus (CDU) gegen die Verfassung verstoßen. So urteilte der Staatsgerichtshof am Donnerstag in Stuttgart. Das an sich ist schon ein starkes Stück! Mappus hatte den Rückkauf der EnBW-Aktien im vergangenen Jahr still und heimlich eingetütet, kurz vor Geschäftsabschluss seinen Finanzminister mit ins Boot geholt, der vom Notbewilligungsrecht Gebrauch machen sollte und gemacht hat. Dieses Recht ist eigentlich für Natur- oder andere Katastrophen vorgesehen. Angeblich war Eile geboten. Das Parlament wurde nicht eingeweiht, dabei ging es um eine Summe, die einem Siebtel des Landeshaushalts entsprach. Und das Haushaltsrecht ist schließlich das Königsrecht des Parlaments!

Noch unglaublicher aber finde ich eigentlich, was das Urteil nun für Konsequenzen hat – nämlich keine. Eventuell oder sogar wahrscheinlich wird Landtagspräsident Willi Stächele (CDU) sein Amt niederlegen. Er war nämlich unter Mappus der besagte Finanzminister. Als Landtagspräsident ist er eigentlich nicht mehr zu halten. Doch sonst? Der Kauf an sich bleibt vom Urteil ohnehin unberührt. Genauso wenig hat es Folgen für die anderen Verantwortlichen von damals. Mappus kommt ungeschoren davon.

Denn die Justiz hatte keine Untersuchungen gegen Mappus aufgenommen. Wäre noch die Möglichkeit eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses geblieben. Doch dafür ist, so mussten die Grünen nach der Regierungsübernahme feststellen, die Aktenlage ziemlich dürftig. Nichts ließ sich im Staatsministerium zu der Vorbereitung des Vertragsabschlusses finden, ebenso wenig im Finanz- und Wirtschaftsministerium. Es ging ja auch nur um knapp 4,7 Milliarden Euro…

Was der neuen grün-roten Landesregierung am Ende bleibt, ist lediglich der Verweis, wer für den Deal verantwortlich war. Trotzdem trägt sie die Erblast, irgendwas mit dem Atomkonzern nach dem Atomausstieg anfangen zu müssen – möglichst mit wenig finanziellen und Arbeitsplatz-Verlusten. Bislang stand die Herausforderung im Schatten des Bahnprojekts Stuttgart 21. Doch das Ausmaß dürfte wohl noch viel größer sein als der Streit um den Bahnhofsbau. Am Ende werden sich vor allem die Grünen am Erfolg des EnBW-Umbaus messen lassen müssen.

NACHTRAG: Wenige Stunden nach dem Urteil meldet sich Landtagspräsident Stächele zu Wort. Und auch hier fällt mir nur ein „unglaublich“ ein: Er nehme die Entscheidung des Gerichts mit Respekt entgegen, sagt er, um dann mit folgenden Worten selbige Entscheidung eigentlich nicht anzuerkennen: „Zu keiner Sekunde ging es um eine Missachtung von Parlamentsrechten, sondern um eine schnelle Entscheidung im Interesse und zum Wohle des Landes Baden-Württemberg.“ Das Gericht hatte doch geurteilt, dass genau diese Eile, die die Landesregierung an den Tag gelegt hatte, nicht geboten war. Die politische Debatte wird Stächele mit dieser Erklärung nicht so schnell abwürgen können.